Montag, 23. Juli 2007

Vegetarismus & moralische Überlegenheit

Zwecks Unterhaltung las ich gerade unter http://www.thebestpageintheuniverse.net/c.cgi?u=grill Maddox' feine Polemik über den Moralismus der Überzeugungsvegetarier. Ich finde ich muss dazu auch mal was sagen:

Mir fallen zwei Argumentationsmuster auf, mit denen Vegetarier (oder Veganer, keine Lust hier zu differenzieren) auf den Hinweis reagieren, dass sie ja Pflanzen töten um selbst zu leben, was unvereinbar mit der Forderung nach einem Recht auf Leben für jede Kreatur ist.
Das erste Argument was ich höre ist, dass Vegetarier insgesamt weniger Leid auslösen, da durch sie nur Pflanzen sterben müssen, während Fleischesser den Tod von Pflanz UND Tier zu verantworten haben.
Das zweite Argument zielt auf die Unvergleichbarkeit von Pflanzen mit Menschen ab, so z.B. "Pflanzen können keine Schmerzen empfinden weil sie kein Zentralnervensystem (ZNS) haben".

Nun, die Heuchelei des ersten Punktes ist leicht zu entlarven: Laut dieser Argumentation sind wir alle schreckliche Mörder, nur Vegetarier weniger weil sie weniger Tode auf ihrem Gewissen haben. Jeder Mensch, der dieser Argumentationslinie anheim gefallen ist, kann auf den anderen hingewiesen werden, der noch weniger Tode verursacht, der Stadt-vegetarier, der vielleicht ein eigenes Auto fährt kann den, der Bus fährt zum Vorbild nehmen u.s.w. bis wir beim Waldeinsiedler gelandet sind. Nur, dass dieser letzte auch Leben tötet um selbst zu leben. Um nicht mehr zu "töten" muss der Mensch sich selbst töten. Das wäre die letzte Konsequenz.
Hinweise darauf, dass man ja wenigstens etwas tut, und man deswegen "besser" sei möchte ich mit der Bemerkung abtun, dass diese egoistischer Selbstschmeichelei niemandem etwas bringt ausser dem eigenen Ego.

Das zweite Argument ist das interessantere, maßt es sich doch selbst eine vermeintliche Wissenschaftlichkeit an und offenbahrt es doch den grundlegenden Anthropozentrismus und den Mangel an Empathie der Vegetarier. Es wird also verlautbahrt, dass doch nicht alle Lebewesen gleichermaßen Recht auf leben haben, Pflanzen nicht, da sie ja keine Schmerzen verspüren könnten. Schmerzen können sie nicht verspüren, da sie kein zentrales Nervensystem (wie z.B. Menschen und Tiere) haben. Fernab der Tatsache, dass erwiesen ist, dass Pflanzen auf ein Beschneiden reagieren, und nichts anderes ist Schmerz: eine Reaktion, scheißegal ob mithilfe eines ZNS oder ohne, zeigt dieses Argument was tatsächlich der Maßstab ist, nachdem festgelegt wird, was gegessen werden darf und was nicht: Inwiefern etwas dem Menschen ähnelt.
Also: Verfügt etwas über ein Zentralnervensystem, rotes Blut, Mimik und Gestik, ist es in der Lage durch Laute zu kommunizieren, können wir Menschen dem Wesen Emotionen ablesen, darf es nicht gegessen werden. Andersrum: Je unähnlicher etwas dem Menschen ist, desto eher darf es gegessen werden.
Diese Hierarchie kann bei vielen Menschen beobachtet werden, so z.B. ist Kannibalismus weltweit geächtet, das erste worauf ein Vegetarier verzichtet ist rotes Fleisch, danach Hühnchen, viele Vegetarier essen noch Fisch, dann wird auf Tierprodukte generell verzichtet, dann auf Pflanzen, die "gewaltvoll" geerntet wurden, dann ist man Fruitarier...

Vegetarier nehmen für sich selbst in Anspruch objektiv und wissenschaftlich zu sein, während sie nur eins sind: menschlich. Sie sind Menschen, die so sehr Mitleid zu anderen Geschöpfen verspüren, die ihnen ähneln, dass sie wünschen, dass andere Menschen diese Wesen auch schonen.
Diese Wahrheit möchten die wenigsten von ihnen anerkennen, da sie doch den Anspruch auf Universalität der vegetarischen Lehre unterminiert. Doch hat man den Vegetarier entlarvt, so zeigt sich bald, dass hinter der ganzen ideologischen Fassade doch nur ein Mensch ist, der sich darüber beklagt, dass das Leben so grausam ist. Hier empfehle ich wiederum Nietzsche's "Genealogie der Moral", inder er sich sehr schön mit der Psychologie dieser schlichten Gemüter auseinandersetzt.

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Über mich

Zahnmedizinstudent, Traditionalist, Musikfreund, Linux-User (Gentoo), klassische-Gitarre-Spieler, Gewichtheber, Filmfreund, Philosoph