Sonntag, 13. Juli 2008

Verstand und Tod

Letztens war ich mal wieder in einer Situation, in der ich mich mit Vorurteilen bzgl. meiner Affinität zu Gewaltfilmen konfrontiert sah. Ich habe mich selbst schon bewußt nur halbherzig verteidigt, da ich von anfang an in eine Ecke gedrängt wurde, dadurch, dass gesagt wurde, dass "solche (Filmfans) doch krank sind" und andere Anwesende "schon genug schreckliches täglich sehen, dass sie sich sowas nicht auch noch in ihrer Freizeit geben müssen".

Insgesamt hab ich kein Problem mit unterschiedlichen Ansichten und Filmvorlieben, aber ich habe ein Problem damit, dass ich als Gewaltfan in eine Ecke gedrängt werde, durch solche verbale Gewalt. Was auch eine gute Überleitung zur Quintessenz dieses Eintrages ist, aber das später.

Wieso gibt es Menschen, die sich gerne Gewaltfilme ansehen, und andere, die diese meiden? Woher kommt die menschliche Affinität dazu, sich zuzusehen, wie man sich gegenseitig schlachtet, und das nicht nur im Fernsehen?

In der Systempresse ließt man oft solche Einfältigkeiten wie die Behauptung, dass es den Menschen "zu gut geht" und dass die neue mediale Gewaltwelle eine Antwort auf die Zunehmende Langeweile der Bevölkerung sei. Die Herrschaften scheinen noch nie etwas von den Kindermärchen der Gebrüder Grimm gehört zu haben, und die Horrorvisionen die geschichtlich noch von kirchlicher Hand verbreitet wurden oder in diesem Metzelepos genannt "Bibel" verbreitet werden scheinen ihnen auch nicht bekannt zu sein. Egal in welche Kultur man Einblick erhält, sie hat dunkle Seiten, die manche erschrecken und andere anziehen.
Ich äußere eine Vermutung: Derselbe pseudointellektuelle Wichser, der auf den Seiten von "Stern" oder "Focus" meint, sich über die SAW-Reihe oder Halloween auslassen zu müssen, derselbe Arsch freut sich ein Loch in den Bauch, wenn er sieht wie Mel Gibson in Braveheart in das Haus von dem einen Typen reitet und ihn mit nem Morgenstern erledigt. Wir müssen noch nicht mal so brutale Beispiele anbringen, wer freut sich zum Beispiel nicht an dem Sterben von über 10000 Menschen in den Star-Wars Filmen? Der tolle Held Luke Skywalker richtet mal eben nen Genozid an. Oder König Leonidas und seine Mannschaft bauen eine Mauer aus Leichen (!) in "300".

Es ist nicht nur die Darstellung in comichafter Manier, die diese Gewalttaten akzeptierbar werden lässt, viel wichtiger ist der Kontext, in dem sie dargestellt werden. Die selben Leute, die über oben genanntes Jubeln haben ein Problem mit "The Hills have Eyes", oder Rob Zombie's "Halloween". In beiden Filmen bleibt der Bodycount weit unter "Braveheart", dennoch sind sie "krank, pervers und schrecklich". Der Unterschied besteht lediglich darin, dass in den ersteren Filmen so genannte "unschuldige" Menschen von anderen Menschen umgebracht und gefoltert werden, die dieses nur so zum Spaß tun. In Braveheart ist die Gewalt aber gerechtfertigt, da sie einem höheren Zweck dient. Nur so am Rande, aber den Toten ist das in beiden fällen heftig egal...

Menschen heutzutage sind tiefgründig arrogant. Sie meinen sich selbst mit Hilfe von Medizin unsterblich machen zu können und sie meinen, dass wenn sie nicht sehen wer (indirekt) durch sie stirbt, sie auch nicht dazu beigetragen haben. Der moderne Mensch tötet nicht und daher stirbt er auch nicht.


Als ich gerade aus der Dusche gekommen bin, wollte ich mich rasieren. Das Problem war, dass der Spiegel immerzu von neuem beschlug, worüber ich mich aufgeregt habe. Aber dann wurde mir bewußt, dass das die Natur von Spiegeln in kleinen Badezimmern ist und ich sie nicht ändern kann.

Der Mensch, der meint er wäre "gewaltfrei" ist gefährlich, denn er verneint seine Natur. Und dass wir diese Natur, die in uns ist nicht ändern können, das zeigen Gewaltfilme. Man kann versuchen die Gewalt zu rationalisieren, aber sie ist und bleibt, wie die gesamte Breite der menschlichen Existenz etwas unverstehbares, etwas, was mit dem Verstand nicht zu umfassen ist. Menschen die aber meinen, sie hätten das diesseits mit ihrem Verstand erobert haben Probleme, dasselbe mit dem Jenseits zu tun, und versuchen sie es, dann werden sie von der Erkenntnis ihres eigenen Todes und ihrer Ohnmacht eingeholt und haben Angst. Denn dann müssten sie versuchen bewußt mit der Tatsache umzugehen, dass Händewaschen ein kleiner Holocaust an Bakterien ist, dass unter ihrer Kleidung das Blut von Tieren floß oder der Schweiß von Kindern in der dritten Welt. Wird er Mensch mit der Tatsache seines eigenen Todes konfrontiert, kann er die Gewalt die von ihm ausgeht auch nicht weiter leugnen, und sei es nur eine schnippische Bemerkung...

Traditionell geplante islamische Städte haben in ihrer Mitte einen leeren Platz. Europäische Städte haben in ihrer Mitte oft ein Monument oder ein Denkmal oder ähnliches. Dies repräsentiert die Verehrung von "etwas", was seit der Renaissance überhand genommen hat. Das islamische Konzept hingegen verehrt das "Nichts", "Nichts" als eine Seite Gottes...



"Etwas" und "Nichts" streben nach Ausgleich. Unsere Gesellschaft hat das Nichts vergessen, in anderen gibt es den Gedanken daran noch, aber er scheint unterzugehen. Die Zen Mönche kennen diesen Gedanken in Form von "Satori", Buddhisten im "Nirvana", Muslime kennen ihn, aber kennt der postchristliche Westen ihn? Seit hunderten Jahren währt ein Konflikt im Westen, wer kennt nicht Nietzsche und Schopenhauer, wer will sagen, dass Horrorfilme im Grunde anders sind?

Die Verehrer des "Etwas" haben Angst und wehren sich ihrer Natur, doch im Zuge deses inneren Kampfes kommt es zu äußerem Kämpfen, für den Frieden (Hitler 1939, Struck 2001). Diejenigen die sich unschuldig wähnen sind die größten Sünder... nur wer seine Natur als Mensch und daher als brutales Wesen erkannt hat, kann auch lernen damit umzugehen. Nicht umsonst sind Horrorfilmfans, Gewichteheber und Metalheads die umgänglichsten und solidarischsten Menschen die man sich vorstellen kann.

Und andersherum: Wenn der moderne Mensch die Unbeständigkeit und den Tod von allem weltlichen, was ihn umgibt, anerkennen würde, seine Eitelkeit und seinen Stolz ablegen könnte und sich in Bescheidenheit der Schöpfung ergeben würde, würde ihm selbst und unserer Welt dieser Akt sehr guttun. Horrorfilme sind für manche Menschen ein Mittel, dieses zu erreichen. Egal wie sehr man diese Welt lieben mag, der nächsten muss Respekt gezollt werden.

Keine Kommentare:

Über mich

Zahnmedizinstudent, Traditionalist, Musikfreund, Linux-User (Gentoo), klassische-Gitarre-Spieler, Gewichtheber, Filmfreund, Philosoph